AKTUELLES

 

Rechtsgutachterliche Stellungnahme zu der zweiten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung

1. Ausgangssituation aus Sicht des Verordnungsgebers

Um zu verstehen, wie sich das Konzept der TrinkwasserVO nach der aktuellen Novellierung (Bundesrat, Drucksache 525/12 vom 12.10.2012) darstellt, muss zunächst Bezug genommen werden auf die „Mutternorm“, also die gesetzlichen Regelungen des Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach § 38 IfSG wird durch eine Rechtsverordnung (namentlich die TrinkwasserVO) geregelt, welchen Anforderungen „das Wasser für den menschlichen Gebrauch“ entsprechen muss. Gem. § 37 IfSG muss das Wasser so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu befürchten ist. Hierbei behält sich der Gesetzgeber vor, dass die Überwachung der Wassergewinnungs- und Wasserversorgungsanlagen mit entsprechenden Eingriffsrechten durch die Gesundheitsämter umgesetzt werden können. In der zurückliegenden ersten Novelle wurde geregelt, dass zur Überwachung durch die Gesundheitsämter alle entsprechend qualifizierten Wasserversorgungsanlagen einer generellen Meldepflicht unterliegen.
Bei der Umsetzung dieses Vorhabens wurde jedoch festgestellt, dass die Gesundheitsämter dadurch weit über die eigenen Kapazitäten hinaus beansprucht werden (geschätzte 2 Mio. meldepflichtige Anlagen) und dass die damit verbundenen Kosten nicht im Verhältnis zu dem gewünschten Erfolg stehen. Statt einer Rolle rückwärts hat die zweite Novelle nunmehr die Aufgabe, dass aus anderem Blickwinkel die Umsetzung der Anforderungen für die Sicherstellung der Hygiene in den Wasserversorgungsanlagen erfolgt.

2. Änderungen und Gewichtung der Prioritäten bezüglich
der zu schützenden Personen

a) Änderungen

Bislang haben Betreiber nach § 13 Abs. 5 TrinkwasserVO den Bestand von Großanlagen der Trinkwassererwärmung der zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese Verpflichtung entfällt. Nicht entfallen sind die sich weiterhin aus den anderen Absätzen des § 13 TrinkwasserVO ergebenden sonstigen Anzeigepflichten (Errichtung einer Wasserversorgungsanlage, erstmalige Inbetriebnahme oder Wiederinbetriebnahme einer Wasserversorgungsanlage, wesentliche bauliche oder betriebstechnische Veränderungen an Trinkwasser führenden Teilen einer Wasserversorgungsanlage, Übergang der Eigentums- oder Nutzungsrechte…) Der Betreiber einer Anlage zur ständigen Wasserverteilung mit einer Großanlage zur Trinkwassererwärmung, der im Rahmen einer gewerblichen, nicht öffentlichen Tätigkeit Trinkwasser abgibt, muss die Wasserversorgungsanlage künftig nicht mehr jährlich sondern nur noch alle drei Jahre auf Legionellen untersuchen lassen.
Die Frist zur erstmaligen Durchführung der „Legionellenprüfung“ wurde auf den 31.12.2013 verlängert. Auch wenn für die in § 14 Abs. 3 TrinkwasserVO genannten Wasserversorgungsanlagen keine generelle Anzeigepflicht mehr gegeben ist, besteht jedoch die Verpflichtung regelmäßige Untersuchungen gem. Anlage 4 vorzunehmen und die Überschreitung des technischen Maßnahmewertes für Legionellen unverzüglich anzuzeigen. Daher kann eine Übersendung der Untersuchungsergebnisse, die unter dem Maßnahmewert liegen, entfallen.
Die Formulierung „gewerbliche, nicht öffentliche Abgabe“ wurde als weiteres Charakteristikum zur Verdeutlichung zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Betreiben von Wasserversorgungsanlagen eingeführt.
Maßgebliche Änderungen sind ferner, dass der technische Maßnahmewert sich von größer oder gleich 100 KbE auf jetzt größer 100 KbE geändert hat. Wird dieser Wert überschritten muss der Betreiber (und nicht mehr das Gesundheitsamt) unverzüglich eine Gefährdungsananlyse erstellen und einen diesbezüglichen Maßnahmenplan vorlegen und sein pflichtgemäßes Handeln gegenüber dem Gesundheitsamt nachweisen. Zu beachten ist auch, dass die in § 11 TrinkwasserVO eingeführte starre Verweisung auf die von dem Umweltbundesamt geführte Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren an den aktuellen Stand der Liste angepasst werden.

b) Priorisierung der Schutzgruppen

Erinnern wir uns an die obige Aussage, dass die TrinkwasserVO dem IfSG entspringt, wird die Blickrichtung der zweiten Novelle deutlich. Das IfSG ist im Kern „Polizeirecht“, also das Recht des Staates dort zu prüfen, zu überwachen oder einzugreifen, wo besondere öffentliche Interessen zu bejahen sind. Nach Vorstellung der Verordnungsgeber soll aus der Sicht des Staates mehr darauf geachtet werden, dass besonders gefährdete Personengruppen vor Krankheiten geschützt werden. Für Wasserversorgungsanlagen in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren etc. gilt weiterhin zunächst ein jährliches Beprobungsintervall. Bei rein gewerblicher, d.h. nicht auch öffentlicher Abgabe von Trinkwasser durch eine Wasserversorgungsanlage, in denen keine besonderen Risikogruppen zu erwarten sind, (z.B. Mieter von Wohn- oder Gewerberäumen in größeren Gebäuden) setzt der Verordnungsgeber auf die Eigeninitiative der verantwortlichen Unternehmer oder sonstigen Inhaber der Wasserversorgungsanlagen.

Konkret heißt es hierzu: Die begrenzten Kapazitäten der Gesundheitsämter richten sich demnach an erster Stelle auf den Schutz der Öffentlichkeit, inklusive besonders gefährdeter Personengruppen (z.B. in Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen und Kindergärten) und an zweiter Stelle auf den privatgeschäftlichen Bereich.

Dieses bedeutet, dass die Pflicht zur eigenverantwortlichen Erfüllung der Hygieneanforderungen weg von den Gesundheitsämtern und noch intensiver hin zu den „Unternehmern oder sonstigen Inhabern einer Wasserversorgungsanlage“ verlagert wird.

3. Verkehrssicherungspflichten

In § 4 der Trinkwasserverordnung steht weiterhin und unverändert, dass der verantwortliche Betreiber zur Einhaltung von zumindest den gewerkspezifischen anerkannten Regeln der Technik verpflichtet ist. Ansonsten darf sich der Betreiber überhaupt nicht sicher sein, dass das von ihm abgegebene Trinkwasser genusstauglich und rein, sowie frei von krankheitserregenden Keimen ist. Der Unternehmer oder Inhaber hat sich weiterhin gegenüber seinem Wasserversorgungsunternehmen dahingehend zu verantworten, dass die Wasserversorgungsanlage ab dem Hausanschluss gem. den anerkannten Regeln der Technik betrieben wird. Sind Anschlussnehmer und Nutzer nicht personengleich, z.B. Vermieter und Mieter, haften beide Beteiligten zunächst für den ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb der Anlage.

Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 1.9.2010 AZ 4O167/09) führt in seinem Urteil (Schadenfall: Legionelleninfektion durch eine verkeimte Anlage) aus: „Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, dass bei zu geringer Wassertemperatur und stagnierendem Wasser ein Brutherd für Legionellen gegeben ist. Die Kammer kommt ferner zu der Feststellung, „dass jedem Betreiber klar sein muss, dass die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten sind“. Die Kammer führte es als erschwerend in diesem Schadenfall an, dass sich keiner der verantwortlich Beteiligten darüber Gedanken gemacht habe, dass von „stillgelegten Leitungen Gefahren ausgehen“.

4. Fazit

Den Betreibern in der Privatwirtschaft wird eine Gleichstellung mit den Betreibern, die Belange der öffentlichen Sicherheit gesondert wahrzunehmen haben, erspart. Die Verantwortung des Betreibers dafür, dass bei Planung, Errichtung und Betrieb einer Trinkwasserversorgungsanlage das Fachwissen zur Anwendung kommt, das in den Verkehrskreisen als zutreffend und schutzgebend anerkannt ist, besteht unverändert fort. In einem Schadenfall wird sich kein Verantwortlicher damit exkulpieren können, dass eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Beprobung erst ab dem 1.1.2014 besteht. In jedem Schadenfall wird überprüft, ob im Rahmen der bestehenden vertraglichen und gesetzlichen Schutzpflichten die erforderlichen Warn-, Fürsorge- und Verkehrssicherungspflichten ordnungsgemäß erfüllt wurden. Damit bleibt auch weiterhin der Betreiber in einer garantengleichen Rechtspflicht zum ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren.

Rechtsanwalt Hardt, Mitglied im Richtlinienausschuss VDI/DVGW 6023
November 2012