AKTUELLES

 

Betreiben und Instandhalten VDI-Richtlinienreihe 3810
Einleitung
Das Beiblatt VDI 3810 1.1 (Grundlagen Betreiberverantwortung) ergänzt die VDI-Richtlinie 3810 Blatt 1 (Betreiben und Instandhalten von gebäudetechnischen Anlagen- Grundlagen). Hierdurch wird dem umfassenden Pflichtenanspruch hinsichtlich der Wahrnehmung der Betreiberverantwortung Rechnung getragen.
I. Anforderungen an das Betreiben von TGA-Anlagen

A) Betreiben

1) Betreiberverantwortung

Die Betreiberverantwortung beruht auf der Vermutung des Gesetzgebers, dass das koordinierte Abstimmen der mit dem Gebäudebetrieb verbundenen Anforderungen möglich und für alle Beteiligten hilfreich und zielführend ist. Die Verantwortlichkeit für Schadensquellen und deren Schadensfolgen obliegt ohne Zweifel dem Betreiber. Die Betreiberverantwortung beruht auf gesetzlichen und vertraglichen Pflichten sowie dem Maß an Sorgfalt in der tatsächlichen Erfüllung einer Aufgabe. Haftung bedeutet hierbei, dass die Verantwortlichkeit für einen Schadeneintritt festgestellt wird und das die sich insoweit ergebenen Rechtsfolgen den/die Verantwortlichen treffen.

2) Anforderung an die Qualifikation des Betreibers und der Beauftragten

Der Betreiber ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die ihn treffenden Rechtspflichten ordnungsgemäß, also i.S. des einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabes erledigt wurden. Das Vorhalten einer diesbezüglichen Beauftragungs- und Kontrolldokumentation, sowie die Erbringung der Nachweise der betriebsbezogenen Unterweisungen sind unerlässlich für eine Exkulpation.

Eigentümer und Betreiber, Verantwortliche und Verwaltende müssen sich im Rahmen ihrer Beauftragungen Dritter die Frage stellen lassen, ob sie vor Gericht mit Argumenten wie Fachkunde und Zuverlässigkeit ihre Beauftragung rechtfertigen können. Auswahlkriterien sind für den Delegationsvorgang ebenso bedeutsam wie die Kontrolle.

Der Betreiber hat die notwendigen Kenntnisse zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Organisationsverantwortung eigenständig vorzulegen. Wissensdefizite gehen uneingeschränkt zu seinen Lasten.

3) Rechtspflichten zum Betreiben gebäudetechnischer Anlagen
Beim Betreiben von gebäudetechnischen Anlagen resultieren die Anforderungen bezüglich Verfügbarkeit, Werterhaltung und Kosten aus den Nutzeranforderungen. Sie umfassen alle Leistungen, die für den bestimmungsgemäßen und sicheren Gebrauch, im Rahmen von gesetzlichen Anforderungen und/oder zum wirtschaftlichen Funktionserhalt innerhalb der technischen Lebensdauer erforderlich sind oder die geforderte Verfügbarkeit sicherstellen.
Die Betreiberpflicht beginnt spätestens mit der Übernahme. Wird das Betreiben an Fremdbetreiber delegiert, ist die Verantwortung vertraglich zu regeln.

B) Instandhaltung

1) Instandhalten

Die Gestaltung der Instandhaltungsverträge und –beauftragungen orientiert sich an einzuhaltenden technischen Rechtspflichten und/oder an Service-Levels. Die Instandhaltung ist von Bedeutung für die Werterhaltung und Wertsteigerung sowie die Nutzung des Anlagevermögens (vgl. VDI 2895).

Dabei ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Festlegung und Beurteilung des Ist-Zustands sowie zur Bewahrung und Wiederherstellung des Soll-Zustands der gebäudetechnischen Anlagen zu beachten.

2) Strategie

Die Instandhaltung ist auf die Unternehmensziele abzustimmen, sodass entsprechende Instandhaltungsstrategien entwickelt und berücksichtigt werden. Zur Erreichung der individuell definierten Instandhaltungsziele ist es notwendig die geeignete Strategie auszuwählen. Zu unterscheiden ist die ausfallbedingte Strategie, die dort angewandt werden kann, wo Ausfälle nicht sofort zu systemrelevanten Defiziten führen. Bei der vorbeugenden Instandhaltungsstrategie wird das Instandhaltungserfordernis als planbare Matrix für bestimmte Zeit- oder Nutzungsintervalle festgelegt. Die zustandsabhängige Instandhaltungsstrategie orientiert sich am gegebenen Abnutzungsvorrat.

Anmerkung des Verfassers: Bis hierhin wurde die VDI 3810 Blatt 1 in gekürzter Form und unter Einbeziehung der VDI 2895 dargestellt.

II. Beiblatt 3810 1.1

A) Betreiberverantwortung

1) Allgemeines

Das Beiblatt orientiert sich an den Richtlinienblättern der VDI-Richtlinienreihe 3810 Blatt 1 bis Blatt 6. Daneben finden die Anforderungen an die Lebenszyklusbetrachtungen Berücksichtigung. Zu den gesetzlichen Betreiberpflichten gehören neben den allgemeinen Pflichten für Arbeitgeber auch die speziellen Pflichten für die Betreiber des Gebäudes und der TGA-Anlagen. Die Zusammenhänge zwischen der Nichtbeachtung der Betreiberpflicht und den daraus resultierenden Rechtsfolgen wird im Hinblick auf die zivilrechtliche, strafrechtliche und ordnungsrechtliche Bedeutung dargestellt. Herausgehoben ist die Forderung, dass der Betreiber eine betriebsbezogene Organisationsstruktur zu belegen hat.

Hierzu wird der Anspruch aus der Garantenstellung des Betreibers dargestellt. Garant ist der mit der Fürsorgepflicht belegte Inhaber des Betriebes oder Unternehmens, der dann haftet, wenn durch sein Verhalten ein Schaden (mit bedingt ist).

2) Verantwortlichkeit

Der Betreiber hat seine gesetzlichen Betreiberpflichten in eigener Person zu erfüllen oder die ihm obliegenden Pflichten auf geeignete Dritte, zur entsprechenden Erfüllungsleistung zu übertragen. Hierbei trifft ihn der Nachweis dafür, dass die Möglichkeiten, die im Rahmen des Zumutbaren liegen, auch genutzt und erledigt wurden.

Insbesondere bei wirtschaftlichem Interesse des Betreibers gilt als einzuhaltender Maßstab der Sorgfalt das Maß an Achtsamkeit und Vorsicht, dass geeignet ist absehbar eintretende Schadenfälle zu vermeiden und sich an dem Wissen orientiert, dass in den Fachkreisen für grundlegend und einleuchtend gehalten wird.

3) Delegation

Eine wirksame Delegation, also rechtsentlastende Übertragung eigener Erfüllungspflichten orientiert sich einerseits daran, dass der Delegationsempfänger nach den Kriterien der Geeignetheit, der Fachkunde, der Zuverlässigkeit, etc. ausgewählt wird. Sodann ist diesem das konkrete Aufgabenfeld der übertragenen Pflichten deutlich zu beschreiben und diesem die dafür erforderliche Dokumentation zur Verfügung zu stellen. Den Delegierenden treffen hierbei Nachweispflichten im Hinblick auf die Unterweisung bezüglich der eigenen betrieblichen Gefahrenlagen.

Der Delegierende muss darüber hinaus den protokollierten Nachweis führen, dass dieser den Delegationsempfänger hinreichend kontrolliert und auf die Einhaltung der zur Erfüllung anstehenden Forderungen stets hingewiesen hat.

4) Arbeitsschutz

Dem Arbeitgeber als Verantwortlichem und dem Betreiber einer überwachungsbedürftigen Anlage obliegt es, das Sicherheitsniveau vom Stand der Technik einzuhalten. Die dem technischen Fortschritt zu verdankende dynamische Entwicklung der Sicherheitsinstrumente wird in der Formulierung „Stand der Technik“ dadurch verkörpert, dass hierunter verstanden wird, dass neuzeitliches Wissen mit wissenschaftlich begründbarer Erkenntnistiefe zum Einsatz kommen sollte.

Die umfassenden Darstellungen in der Fachliteratur sind zwingend wahrzunehmen. Eine Handlungsanleitung für die Erstellung konkreter Gefährdungsbeurteilungen und den sich daraus ergebenden Ableitungen nach dem Stand der Technik gibt beispielsweise die TRBS 1111.

5) Behördliche Auflagen

Die sich aus den Bauakten und Baugenehmigungsbescheiden ergebenden Auflagen und sonstigen Bestimmungen sind zwingend einzuhalten. Gesondert erfolgte Anweisungen sind zu befolgen.

Bei Abänderungswünschen des Betreibers ist vorab im Regelfall die behördliche Genehmigung einzuholen.

Zuwiderhandlungen orientieren sich an der haftungsrelevanten Stellung als Veranlassungs- oder Zustandsstörer.

6) Öffentliches Recht

In der Musterbauordnung (MBO) werden Basisanforderungen an die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik erhoben. Hierbei handelt es sich um einen eher statischen Begriff, der den gesicherten Wissensstand der Fachkreise auf der Basis von fundierter Ausbildung und praktischer Berufserfahrung basiert.

Nicht das aktuellste Wissen, aber der gesicherte Wissensstand der fachhandwerklich gemachten Erfahrungen im Hinblick auf die Betriebs- und Funktionstauglichkeit ist das Maß der Dinge.

Ergänzend ist insoweit anzumerken, dass dieses Anforderungsprofil auch für das strafrechtliche Maß an einzuhaltender Sorgfalt gilt (vgl. § 319 StGB).

Die gebäude- und sondergebäudebezogenen Prüfanforderungen sind im Hinblick auf ihre Fristen und Pflichten vorrangig wahrzunehmen und zu erfüllen.

7) Verkehrssicherungspflichten

Die Verkehrssicherungspflichten verlangen, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, fachkundig und zuverlässig die Schutzmaßnahme zu erfüllen hat, die den sicheren Betrieb garantieren. Mit der Schaffung einer möglichen Gefahrenquelle entsteht eine Garantenpflicht. Der Betreiber wird Garant für den sicheren Betrieb.

Als Gefahrenquelle gilt hierbei jeder Zustand, der bei ungehindertem Fortgang den Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich macht.

Die konkreten Wahrnehmungspflichten beziehen sich auf Tätigkeitsgefahren (z.B. Reinigungsarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Tritten), Sachgefahren (z.B. offenen Elektroanlagen, Stolperstellen) und Verkehrsgefahren (z.B. verstellte Fluchtwege, defekte Brandschutzklappen).

Die Vorkehrungen zum Schutz jedweder Dritter (so sieht es auch der aktuelle Entwurf zur Änderung der Betriebssicherheitsverordnung vor) haben hohen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Hierbei sind alle Beteiligten (Eigentümer, Besitzer, Dienstleister, sonstige Fremdfirmen) auf ihren jeweiligen Verantwortungsbereich einzustellen und im Hinblick auf Gefährdungslagen zur Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht verbindlich zu verpflichten und zu kontrollieren.

B) Nachhaltiger Betrieb

1) Ãœbernahme

Spätestens mit der Übernahme beginnt eine hochsensible Phase des Betreibens. Die Zuordnungen der jeweiligen Verantwortungsbereiche, ein etwaig verabredeter Probebetrieb, die rechtliche Abgrenzung zur vertragsrechtlichen Abnahme i.S. des Werkvertragsrechts/der VOB sowie die gesonderte Überprüfung anhand der bauordnungsrechtlichen/ arbeitsmittelrelevanten Prüfvorgaben stellen eine komplexe Aufgabe dar.

Die Übernahme ist eine Projektarbeit, die die Einbeziehung aller betroffenen Bereiche beinhaltet. Die organisierte Planung des Ablaufs der Inbetriebnahme von einzelnen Gewerken, Anlagenteilen, Gebäuden oder Gebäudekomplexen hat zum Ziel, die im Auftrag geforderte Funktionalität zu erreichen. Es handelt sich um einen Managementprozess, der dazu dient, zusätzlich zur Funktionalität der Einzelgewerke die Gesamtfunktionalität einer Anlage unter Beweis zu stellen.

2) Service-Level-Agreements

SLAs sind regelmäßig in Dienstleistungsverträgen verabredet.

Zu bedenken ist hierbei aber, dass die aktuelle Rechtsprechung manchen „geglaubten Dienstvertrag“ als Werkvertrag betrachtet. Die aktuelle Rechtsprechung ist zwingend im Blick zu halten insbesondere für Reinigungsdienstleistungen, Winterdienst und Betriebsübergang bei intensiver Betriebsmittelverbundenheit der Leistungserbringung.

Zu regeln sind die zu leistenden Services (Art, Umfang, Zeiten), die Qualität der Services und deren Messbarkeit, die Kriterien der Erfüllung und die Folgen bei Nichterfüllung. Mittels der vereinbarten SLAs sind Kriterien wie Termintreue, Einhaltung von Reaktions- und Neutralisationszeiten, Sicherstellung der Verfügbarkeit von technischen Einrichtungen sowie Qualitätsanforderungen an die erbrachten Dienstleistungen.

III. Vertragliche Regelungen

1) Wahrnehmung der betrieblichen Organisation

Eine Umsetzungsverantwortung besteht in der konkreten Umsetzung in Form von Verträgen.

Der Schuldner der Leistungserbringung (im Regelfall der Auftragnehmer) hat die ihm obliegende Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern – so die Formulierung im § 242 BGB. Dem Auftraggeber sind damit aber nicht alle Pflichten genommen, denn die Konkretisierung der zu erfüllenden Anforderungen und die damit verbundenen umfassenden Darstellung der übernommenen Rechtspflichten ist Aufgabe des Auftraggebers. Ebenso hat dieser aus der Übertragung der Erledigungspflichten für sich abzuleiten, dass ihn nunmehr insoweit gesonderte Überwachungspflichten treffen. Diesbezügliche Erfüllungs-nachweise sind vorzuhalten.

2) Vertragsgestaltung

Die Vertragsgestaltung hat sich an dem jeweiligen Einzelfall zu orientieren. Die grobstrukturierte Typologie der Vertragsarten wird in den meisten Fällen von Werkverträgen, Dienstverträgen, Versicherungsverträgen, Versorgungs- und Mietverträgen erfasst.

Die juristische Würdigung einer vertraglichen Regelung orientiert sich an

der Wortwahl des Vertrags, sofern diese nicht eindeutig ist,
der Auslegung des Vertrags, sofern diese nicht eindeutig möglich ist,
der Mindestanforderung der Verkehrskreise (z.B. anerkannte Regeln der Technik).

Daneben ist zu berücksichtigen, dass gesonderte Vertragsabreden, wie z.B. die Verabredung der VOB weitere Pflichten zur Sorgfaltswahrung bedingen. Das rechtssichere Betreiben im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen setzt voraus, dass die beteiligten Parteien vollumfänglich Kenntnis von den verabredeten Verpflichtungen und Rechten haben.